Gothic In einer prächtigen 3D-Fantasywelt räumen Sie mit der Brut des Bösen auf -- mit der entsprechenden Monster-Hardware. Es sind einfach zu viele. "Verdammte Orks!", knurrt unser Haudegen und befreit sich aus dem Knäuel wilder Monster. Im Eiltempo rennt er den Hügel hinab zur Siedlung, ein Dutzend wütender Kreaturen im Schlepptau. Da, der Weg durch den Wald -- aber da sind auch Wölfe! Glück gehabt, die stürzen sich auf einige der Verfolger. Noch immer spürt unser Held fünf, sechs Bestien im Nacken. Endlich taucht die Stadtmauer auf. Bebend springt er durch das Haupttor. Zur Mittagszeit sind besonders viele Soldaten auf dem Marktplatz. Sofort greifen sie zu den Waffen und machen Kleinholz aus den Biestern. Somit kann das Abenteuer im Rollenspiel Gothic vom Bochumer Entwicklerteam Piranha Bytes weitergehen. Der Held sind Sie, die Orks nur einer von unzähligen Gegnertypen. Hügel, Wälder und Siedlung gemeinsam ergeben eine der glaubwürdigsten Spielewelten, die es bislang am PC zu erkunden gab. Jedenfalls, wenn die entsprechende Hardware vorhanden ist. 245 [56 KB] Per magischem Flammenregen attackieren wir einen riesigen, wild um sich schlagenden Troll. Kolonie unter Verschluss Anfangs landen Sie in einer Art riesiger Fantasy-Wohngemeinschaft wider Willen. Viele hundert Sträflinge hausen da unter einem riesigen magischen Schild. Der König hat die Kuppel über seinem kriegsentscheidenden Bergwerk erschaffen lassen. Dabei ging allerdings etwas schief - sie wurde viel zu groß und umfasst nun Berge, Täler, Wälder und diverse Siedlungen. Die verantwortlichen Zauberer sind ebenfalls gefangen und brüten schon seit langer Zeit darüber nach, was wohl passiert sein mag und wie es wieder gutzumachen wäre. Den Herrscher außerhalb der Mine lässt das freilich kalt, er wartet auf Lieferungen seines Metalls und wirft dafür gelegentlich Nahrungsmittel, Sklaven oder frische Halunken hinein. Unbelebte Stoffe passen in beide Richtungen durch die Barriere, Menschen nur in eine. Ihre Aufgabe: Finden Sie heraus, wie Sie wieder in Freiheit gelangen. 249 [52 KB] Drei Gruppen Als Neuankömmling müssen Sie erst mal Anschluss an eine der drei -- nur dezent verzofften - Siedlungen finden und sich allmählich von der niedrigsten Kaste dort zum angesehenen Edelkrieger hocharbeiten. Da sind das soldatisch angehauchte Alte Lager, ein Banditen-Camp namens Neues Lager und die versponnenen Wald-Hippies der "Sekte des Schläfers". Damit man Sie in einem der Orte aufnimmt und Sie dann in der Story vorankommen, erledigen Sie Aufträge und mutieren allmählich vom Frischling zum Weltenretter. Es gibt zwar welche, in denen Sie lediglich mit den richtigen Figuren plaudern müssen -- in den meisten aber ist Action angesagt. Die Einsätze sind vielfältig: Sie räuchern Orkhöhlen aus, gleich danach müssen Sie im Sumpf nach Heilkräutern suchen, als Bote zwischen den Siedlungen agieren und wenig später das heiligste Heiligtum des Sektenlagers beschaffen. Viele dieser Aufträge sind recht lang und mehrfach gestaffelt, zwischendurch finden Sie in Ihrem Notizbuch immer wieder mal eine Aktualisierung, welchen Schritt Sie als nächsten unternehmen sollen. Echte Nebenmissionen, wie sie beispielsweise Baldur's Gate 2 in Hülle und Fülle bietet, sind in Gothic eher die Ausnahme. Die Haupthandlung ist dennoch schön lang, insgesamt dürfen Sie locker mit 50 Spielstunden rechnen. 242 [57 KB] Frisch gemausert Ihre Gegner verkloppen Sie aus der Rückenansicht per Schwert oder Beil. Mit der Maus visieren Sie den Feind an, mit den Cursortasten schlagen Sie von vorne oder seitlich zu. Wahlweise können Sie Widersacher aus sicherer Distanz mit Bogen, Armbrust oder per Zauberspruch attackieren. Dass die Maus-Unterstützung erst in den letzten Wochen der Entwicklung eingebaut wurde, ist deutlich zu merken. Das Ganze geht weniger locker von der Hand als in Actionspielen wie Rune oder Severance, in Kämpfen etwa kann es vergleichsweise leicht vorkommen, dass Sie an Gegnern vorbeilaufen, statt auf sie einzuprügeln. Wahlweise treten Sie auch nur mit der Tastatur an. Sie können den Spielstand jederzeit sichern, was allerdings weit weg von gewohntem "Quicksave"-Komfort ist: Selbst auf flotten PCs dauert es mehrere Minuten, bis ein Spielstand geladen ist. 251 [66 KB] Tag und Nacht Die Welt von Gothic wirkt wie aus einem Guss und scheint zu leben. Es bestehen - abgesehen vom Eintritt in eine der wenigen Höhlen - keine Levelgrenzen. Jeden Flecken Erde können Sie wie in Ultima 9 selbst über größte Distanz hinweg sehen und erreichen. Die Siedlungen liegen mehrere Dauerlauf-Minuten voneinander entfernt. In der Natur lauern Wölfe in lauschigen Wäldern, sonnen sich Reptilien neben Flüssen, marschieren Bluthunde vorbei an Wasserfällen. Die große Welt schafft aber auch ein Problem - es bleibt Ihnen nicht erspart, etwa den langen Weg zwischen Altem Lager und Sumpfsekte mehrere Dutzend Male zu marschieren, was jeweils gute fünf Minuten dauert. Erst recht spät im Spielverlauf bekommen Sie einen Zauberspruch, der Sie umgehend ins Zentrum eines Ortes teleportiert. Anders als in Ultima 9 hat der Tag- und Nachtzyklus Auswirkungen auf Menschen und Fauna. Sobald der Mond untergeht und allmählich wieder Sonnenlicht über die Landschaft fällt, treten die meisten Soldaten, Minenarbeiter oder Sektenjünger mit einem munteren "Wieder ein neuer Tag!" vor ihre Hütte. Dann marschieren sie zur Arbeit oder waschen sich am Tümpel. An einigen Werkstätten können Sie zugucken, wie etwa der Schmied zwischen Amboss und Wasserbad hin- und herläuft. Wenn es Nacht wird, begeben sich die Mitmenschen wieder zu ihren Behausungen und kriechen ins Bettchen. Sogar ein Teil der Tiere in Wäldern und Sümpfen ruht: Saurier legen sich hin, Blutfliegen rollen sich friedlich zum Schlafen im Wasser zusammen. [60 KB] Auf zum Training Sie spielen immer den gleichen männlichen Helden, die sonst im Genre gewohnte Rassen- und Berufsauswahl entfällt. Anfangs haben Sie kaum etwas auf dem Kasten, steigen aber relativ schnell zum Monstermörder der Extraklasse auf. Jeder gemeuchelte Gegner und jeder erfüllte Auftrag bringt Erfahrungspunkte. Sobald Sie genug gesammelt haben und den nächsten Level erreichen, bekommen Sie einerseits ein paar Gesundheits-, andererseits auch zehn Lernpunkte. Die nutzen Sie dann bei Trainern zum Verbessern von Fähigkeiten wie Bogenschießen, Schlösseröffnen oder Schleichen. Wenn Sie Ihre Fertigkeiten mit Einhand-Prügelinstrumenten verbessern, schlagen Sie damit sowohl schneller als auch eleganter zu -- was deutlich zu sehen ist. Außerdem haben Sie die Attribute Stärke, Geschicklichkeit und Mana. Obendrauf gibt's ein paar Spezialbegabungen, zu deren Ausbau Sie ebenfalls Lernpunkte benötigen. Beispielsweise können Sie dann bei erlegten Tieren die Krallen oder das Fell einsacken und teuer verkaufen. Das Rollenspielsystem ist zwar nicht so ausgefeilt wie in Baldur's Gate 2, funktioniert aber tadellos. Sie stehen immer wieder vor der Alternative, ob Sie lieber Waffengeschick oder Magiekünste verbessern, und bemerken diese Entscheidungen umgehend im Kampf. [55 KB] Notlicht und Kugelblitz Die feindlichen Scharen halten Sie mit einem umfangreichen Arsenal an Kriegsgerät und Zaubern von Ihrem Polygonkörper fern. Schwerter in allen Formen und Stärken, Beile und Äxte, Bögen und Armbrüste -- rund 100 Nah- und Fernkampfwaffen sind im Spielverlauf zu finden. Effektiver und schicker anzusehen sind freilich die magischen Sprüche: Die sind wahlweise als einmal einsetzbarer Instant-Zauber verfügbar oder als Rune für langfristigen Gebrauch. Letztere sind in sechs Klassen geordnet, die Sie nacheinander mit Lernpunkten freischalten müssen. Zu Beginn bekommen Sie nicht mehr als einen harmlosen Feuerpfeil oder ein magisches Notlicht. Später rösten Sie Bestien per Flammenregen, erschlagen sie mit Kugelblitzen oder frieren sie in der Eiswelle ein. Sie können sich selbst in ein Monster verwandeln und mit seinen Kräften antreten oder auf Knopfdruck ein Rudel Skelettkrieger herbeibeschwören. [76 KB] Brut des Bösen Blutfliegen schwirren entlang von Flüssen, Dino-ähnliche Wesen lauern in Tälern: Es findet sich kaum ein Fleckchen ohne Gefahr. In der Außenwelt haben Sie es großteils mit Tieren zu tun, bei Missionen mit menschlichen Gegnern oder Orks in diversen Varianten. Die KI kann sich sehen lassen: Biester greifen im Rudel von mehreren Seiten an und alarmieren meist Kollegen in der Nähe. (PS) [56 KB] Die erweiterte Fassung des Artikels sowie zusätzliche Screenshots finden Sie in GameStar 4/2001. Außerdem: • Technik-Check • Tag- und Nachtwechsel • Meinungskasten: Jörg Langer • Facts Tag- und Nachtwechsel 243-244 Nachts schläft das Neue Lager; tagsüber stehen die Herrschaften zusammen am Feuer. Technik-Check Die schöne Grafik und riesige Spielwelt von Gothic verlangen der Hardware Höchstleistungen ab. Bei der Minimalkonfiguration sollte es schon ein Pentium III/500 mit 128 MByte RAM sein. Damit können Sie immerhin auf niedrigen Auflösungen brauchbar spielen, wenn auch nicht vollkommen ruckelfrei. Größte Limitierung dabei ist der Hauptspeicher. TNT-, Voodoo-3- und G400-Karten sind wegen ihres kleinen Texturspeichers für das Spiel nicht zu empfehlen. RAM/Festplatte Wenn Sie bei Gothic auf die 1,2 GByte umfassende Vollinstallation verzichten, machen Sie sich das Leben unnötig schwer. In puncto Hauptspeicher gilt: je mehr, desto besser; 128 MByte sind ein Muss, 192 in Ordnung und erst 256 MByte mehr als ausreichend. Tuning-Tipps Tipp 1: Vor allem die eingestellte Sichtweite nimmt großen Einfluss auf den Spielfluss. Verringern Sie diese im Optionsmenü. als nächstes sollten Sie die Figurendetails herabsetzen, und erst dann die Texturqualität. Tipp 2: Defragmentieren Sie auf jeden Fall Ihre Festplatte. Denn eine optimal laufende Auslagerungsdatei ist für Gothic Pflicht. Tipp 3: Verwenden Sie bei Voodoo-Karten stets die neuesten Treiber, ansonsten drohen Ihnen (auch mit Voodoo 5) lästige Texturfehler. 247-248 Oben: Bei der Mindestsichtweite verschwindet die Landschaft im Nebel. Unten: Fernsicht bei maximaler Sichtweite - nur auf schnellen Rechnern. Meinung Jörg Langer: Als großer Ultima-9-Fan habe ich mir Gothic vor allem in Sachen Spielwelt genau angesehen. Gerade das Dorftreiben ist klasse. Da strecken sich morgens müde Gesellen vor ihren Hütten, futtern Äpfel, rauchen Tabaktüten, hämmern an ihren Häusern herum oder unterhalten sich. Auch die Interaktionen sind vielfältiger als bei U9: Wenn ich ungebeten eine Hütte betrete, bekomme ich es mit deren Eigentümer zu tun. Die Landschaft ist zwar gut gelungen, aber etwas farbarm. Gerade die Höhlensysteme sind mir zu öde. Das kriegt Ultima 9 mit seinen eisigen Gipfeln und lauschigen Küsten schöner hin. Technisch ist Gothic ähnlich anspruchsvoll: Auf meinem 500-MHz-Privat-PC samt TNT2 läuft's mit 800x600 und reduzierten Details gerade noch spielbar, während es auf meinem Bürorechner (1000 MHz, Geforce 2) selbst bei 1600x1200 flutscht. Gothic hat schwierigere (zu Beginn unfaire) Kämpfe und das bessere Wirtschaftssystem, selbst wenn man Ultima 9 per Economy-Patch aufwertet. Dafür geht der Punktsieg für die spannendere Story an Letzteres. Was soll's, Gothic ist ein grandioses Spiel - vor allem Profis mit Profihardware haben ihre Helle Freude. Meinung Peter Steinlechner: Ist das ein Spiel oder lebt da vielleicht doch etwas im Monitor? Klar, mit einer echten Welt kann Gothic nicht mithalten - aber es wirkt stellen weise einfach umwerfend glaubwürdig. Da macht es sogar Spaß, morgens einmal ein halbes Stündchen auf dem Marktplatz zu stehen und den Leuten beim aufwachen zuzugucken. Glücklicherweise ist das nicht alles, spielerisch überzeugt das Megaprojekt von Piranha Bytes ebenfalls in fast jeder Hinsicht. Packende Kämpfe, intelligente Gegner und das erst unscheinbare, aber sehr clever ausgetüftelte Rollenspielsystem motivieren ungemein. Gothic ist eines dieser "Nur noch ein halbes Stündchen"-Programme. Und dann ist wieder die ganze Nacht vorbei... Lange Märsche Es gibt nur wenig, was mir nicht gefällt. Die Steuerung könnte präziser funktionieren, und die Handlung kommt arg langsam in Schwung - mir fehlt der abgrundtief schlechte Erzschurke, der vom Start weg seine Schar des Bösen auf mich hetzt. Wirklich genervt haben mich (neben den Spielstand-Ladezeiten) die elend langen, unvermeidbaren Dauerläufe zwischen den Siedlungen. Trotzdem: Angesichts der guten Seiten nehme ich das gerne in Kauf. Wer Rollenspiele mag und die nötige Hardware im Rechner hat, sollte unbedingt zuschlagen. Wertung: Grafik: Sehr gut Sound: Sehr gut Bedienung: Befriedigend Spieltiefe: Sehr gut Multiplayer: Nicht vorhanden Spielspaß: 88 % Mega-Rollenspiel in riesiger Fantasy-Welt Es ist Absicht, dass Sie zu Beginn nur die wenigsten Wesen besiegen können und oft in halsbrecherischen Aktionen flüchten oder Feinde zur Stadt locken müssen. Übrigens haben viele Biester ein spezielles Geräusch spendiert bekommen, mit dem ihnen signalisiert wird, dass die Verfolgung beendet ist.